Personal Training mit Sergey Merkulin

sergey merkulin Am 02.07.2014 hatte ich Gelegenheit für ein Personal Training mit Sergey Merkulin in Worms. Sergey Merkulin ist ausgezeichnet als 15-facher Weltmeister, 14-facher Russischer Meister, 5-facher Europameister und "Honoured Master of Sports" - sozusagen die "Crème de la crème" im Kettlebellsport. Wo kann man also mehr lernen als von solch einem Profisportler, der seine ganze langjährige Erfahrung in die Waagschale wirft und mit vielen kleinen Kniffen zeigen kann, worauf es ankommt?

Schon beim Aufwärmen ging Sergey zur Sache: Kurz, knackig aber recht intensiv wurde die Temperatur hochgefahren, Arm-, Schulter- und Hüftgelenke mobilisiert, der Turbo auf Volldampf gebracht - der erste Griff zum Schweißtuch die logische Folge.

Der Kettlebell-Snatch: Reißen mit ausgereifter Technik

Der erste Trainingsblock war dem Snatch gewidmet und hier ergaben sich sogleich zahlreiche Feinheiten, die mir zum Großteil zwar schon bekannt waren, deren Dimension und Bedeutung ich allerdings bislang unterschätzte. Im Endeffekt - und das zog sich wie ein roter Faden durch den kompletten Trainingsabend - geht es bei der Technik immer darum, Kraft zu sparen, die Eigendynamik der Kettlebell zu nutzen, um letztlich die Dauer einer Übung bzw. die Anzahl der Wiederholungen zu steigern.

Die Kettlebell-Griffrichtung

Die Kettlebell steht auf dem Boden so ausgerichtet, dass der Griff in Blickrickung zeigt. Auf diese Weise spart man sich beim späteren "Eingreifen" eine halbe Umdrehung und dies wiederum spart Kraft.

Die Kettlebell richtig greifen
sergey merkulin snatch

Der Kettlebellgriff soll mit allen vier Fingern umschlossen sein; der Daumen greift von oben über den Griff und dient als "Schloss". Einen Hinweis darauf, ob man dies richtig praktiziert bietet ein Blick auf die Handfläche: Hier sollten laut Sergey unterhalb eines jeden Fingers Hornbildungen ersichtlich sein. Ich kann bei mir nur drei Hornstellen entdecken was darauf hindeutet, dass meine Grifftechnik noch nicht perfekt ist. Die Stelle unter dem Zeigefinger ist noch "jungfräulich". Diagnose also: Der Zeigefinger wird beim Swing nicht genügend eingesetzt, weshalb die anderen drei Finger mehr Arbeit verrichten müssen. Somit ist es ein Unterschied, ob man das Kettlebellgewicht auf vier oder nur drei Finger verteilt. Setzt man bewusst alle vier Finger ein, so werden die andren drei weniger belastet - also wieder einen wertvollen, kräftesparenden Tipp gelernt!

Die Pendelkraft der Kettlebell richtig nutzen
swing

Was mir bereits Daniel Hahn mit der "Kettlebell-Kraftuhr" recht deutlich veranschaulicht hat, darauf legt auch Sergey Merkulin größten Wert: Beim Snatch vor dem Hochreißen die Kettlebell zunächst ausschwingen lassen, bis das Pendel seinen Totpunkt erreicht. Warum die Kugel also früher hochziehen, solange sie von selbst schwingt? Schließlich wollen wir doch unsere eigenen Kräfte schonen!

Sergey's Trick um dies zu lernen: "Nimm eine schwere Kettlebell, dann setzt du deine Kräfte automatisch energiesparender ein!"

Das Umsetzen in Phasen lernen
Kettlebell Snatch

Für alle, die beim Snatch mit dem Umsetzen der Kettlebell noch Schwierigkeiten haben, hat Sergey folgenden Tipp parat: Splittet die Umsetzbewegung zunächst in drei Einzelsegmente:
Segment 1: Erster Swing mit halbem Umsetzen etwa in Brusthöhe
Segment 2: Zweiter Swing mit dreiviertel Umsetzen oberhalb Brusthöhe
Segment 3: Dritter Swing vollem Umsetzen zwichen Brust- und Kopfhöhe

Auf diese Weise kann man in verschiedenen Einzelabschnitten das Eingreifen und Umsetzen besser üben und schließlich die Einzelphasen zu einer Gesamtbewegung zusammensetzen. Kettlebellübungen sind wie ein Puzzelspiel: Aus vielen kleinen Teilen wird ein Ganzes.

Praktische Anwendung

Für einen guten Snatch ist ein guter Swing Voraussetzung. Deshalb beobachtet Sergey zunächst, ob der Swing kräftesparend ausgeführt wird. Nach je 30 Wiederholungen links und rechts mit der grünen 24er ist der Meister zufrieden und es darf gesnatcht werden.

Zur Demonstration greift Sergey jetzt selbst zur 24er Kugel und rockt mal eben so innerhalb von 10 Minuten insgesamt 225 Wiederholungen ab - wohlgemerkt bei nur einem Armwechsel. Das beeindruckt nicht nur, sondern man bekommt großen Respekt vor solch einer Leistung!

Der Kettlebell Longcycle: Auf viele Kleinigkeiten kommt es an

Longcycle

Der Kettlebell Longcycle setzt sich zusammen aus einem Clean und Jerk. Ein sehr komplexer Bewegungsablauf, bei dem folglich noch mehr Details zu beachten sind als beim Snatch.
Zunächst sind für den Aufschwung die gleichen Kriterien wie beim Snatch bzw. Swing zu beachten. Darüber hinaus gibt Meister Merkulin folgende Tipps mit auf den Weg:

Den Clean mit den Beinen abfedern

Wird die Kettlebell per Clean in die Rack-Position gebracht, so soll der "Aufprall" mit den Knien abgefedert werden, danach wieder die Beine durchstrecken.

Relax - Relax

Ein Wort, das ich mir von Sergey immer wieder anhören muss: Es geht darum, sich in der Rack-Position wirklich etwas auszuruhen und zu entspannen, zwei, drei Atemzüge zu machen um erst danach die Kugeln hochzustemmen. "Nimm dir Zeit, entspann' dich", weist Sergey immer wieder darauf hin, dass ich Körner sparen soll um möglichst lange durchzuhalten. Besser also, bei jeder Wiederholung ein paar Sekunden Pause einlegen, als zu schnell außer Atem zu geraten und dann die Puste komplett zu verlieren.

Der "Versenklatsch" muss deutlich hörbar sein

Beim Jerk kommt es schließlich darauf an, dass man den "Versenklatsch" (ein besseres Wort fällt mir leider nicht ein) deutlich hört. Nur dann hat der Körper die richtige Anspannung; den Po dabei etwas nach hinten nehmen.

In der Abwärtsbewegung die Schwerkraft nutzen

Das Ablassen der Kettlebell aus der Lock-Out-Position soll "in einem Zug" erfolgen. "Nutze die Schwerkraft der Kugel, führe sie nur leicht und setze in der Abwärtsbewegung keine Eigenkraft ein" - hier ist er also wieder, der "rote Faden": Immer kräfteschonend arbeiten. Unten dann die Arme ausstrecken, damit die Kettlebell wieder Eigenschwung für die nächste Aufwärtsbewegung bekommt. Und immer wieder: Kräfteschonend arbeiten!

Fazit

Die drei Stunden Personaltraining mit Sergey Merkulin vergingen wie im Fluge, eine Zeit, die sich für mich äußerst gelohnt hat und mir wieder viele neue Erkenntnisse brachte:
Hatten bereits Daniel Hahn und Bär von Schilling in drei vorhergehenden Kettlebellseminaren eine hervorragende Grundlagenarbeit geleistet, so konnte ich von Sergey Merkulin nochmals weitere Details zur Kettlebelltechnik lernen. Seine professionellen Demonstrationen sowie einfachen, aber recht einleuchtenden Erklärungen sorgten dafür, dass mir verschiedene Zusammenhänge jetzt noch viel klarer erscheinen. Mir ist allerdings ebenso bewusst: Um das alles umzusetzen, zu verinnerlichen, sowie es später auch einmal automatisiert anzuwenden bedarf es wieder harter Arbeit in vielen Trainingsstunden. Mein Trainingsschwerpunkt in den nächsten Wochen wird gezielt auf der Umsetzung der neuen Technikerkenntnisse liegen. Sind diese (hoffentlich bald) verinnerlicht, so werden sich dann - dank kräfteschonender Arbeit - sicherlich auch die Wiederholungen und das Gewicht weiter steigern lassen.

sergey merkulin

Mittlerweile komme ich mir schon vor wie ein "Kettlebell-Wandergeselle". Aber das zeichnete ja auch früher die Wandergesellen aus: Von einer Vielzahl von Meistern lernen, um schließlich selbst das Beste daraus zu machen.

Herzlichen Dank an Sergey Merkulin für dieses äußerst wertvolle Training!

>>> siehe auch:
Kettlebellseminar I mit Daniel Hahn
Ketlebellseminar II mit Bär von Schilling
Ketlebellseminar III mit Daniel Hahn

Impressionen