Kettlebells contra Hanteln?

Wozu brauchst du denn Kettlebells, wenn du die gleichen Übungen auch mit Hanteln durchführen kannst?" So lautete die Frage meines Handball- und Krafttrainings erfahrenen Juniors, als er mitbekam, dass ich mit Kettlebells liebäugle.
Nun, da ich bisher keine Kettlebells hatte, konnte ich diese Frage vorab nicht eindeutig beantworten, sondern musste zunächst auf die üblichen Quellen wie Literatur oder Internet verweisen.

Nachdem ich nun sowohl mit Kurzhanteln als auch mit Kettlebells trainiert habe erscheint mir - rein gefühlsmäßig und wissenschaftlich nicht untermauert - der Unterschied ziemlich klar:
Man kann mit Hanteln zwar viele Übungen durchführen, die denen der Kettlebells entsprechen (oder umgekehrt). Aber: Mit Kettlebells zu trainieren ist aus meiner persönlichen Sicht ein völlig anderes Gefühl. Ich kenne niemanden, der z.B. mit Hanteln den "Swing", "Slingshot" oder die "Figure 8" trainieren würde. Für Übungen mit Schwung sind die Kettlebells einfach besser geeigent, weil ihr Schwerpunkt anders gelagert ist. Bei Kurzhanteln liegt dieser in der Mitte des Hantelgriffs, sozusagen also "in der Hand". Bei Kettlebells irgendwo nahe der Kugelmitte und damit "außerhalb der Hand". Somit unterscheiden sich Kettlebells und Hanteln schon allein in ihrer Konstruktion und damit auch in ihren Funktionen.

Hantel und Kettlebell

Während mit dem Hanteltraining vorwiegend einzelne Muskeln trainiert werden, spricht die Kettlebell mit einer Übung gleich ganze Muskelgruppen an. Nach meinem ersten Kettlebelltraining spürte ich vor allem im Schulterbereich verschiedene Muskeln, die sich bis dato im Hanteltraining - selbst bei gezielten Schulterübungen - überhaupt noch nicht bemerkbar machten.
Insofern werden durch Kettlebellübungen, vor allem denen mit Schwunganteilen mehr Muskeln angesprochen als beim allgemeinen Hanteltraining. Während man mit Hanteln gezielt einzelne Muskeln aufbaut, haben die Kettlebells eher einen gesamtkörperlichen Ansatz. Davon ausgenommen sind allenfalls synergistische Übungen wie Kreuzheben, Kniebeugen, Liegestützen oder Bankdrücken, bei denen ebenfalls gleichzeitig mehrere Muskeln beteiligt sind.
Auch was das Ausdauertraining betrifft komme ich mit Kettlebells viel schneller außer Atem als mit Hanteln. Will man also auch Kondition und nicht nur Kraft trainieren, so erscheinen mir hierzu die Kettlebells das geeignetere Werkzeug.

Wir Deutsche neigen ja zu einer gewissen Schwarz-Weiß-Sicht und entscheiden Alternativfragen oft mit "entweder" "oder". Die Frage, ob nun Hanteln oder Kettelbells beantworte ich persönlich mit einem "sowohl als auch". Beide Geräte haben ihre spezifischen Funktionen und sind verschiedene Werkzeuge für unterschiedliche Zwecke. So halte ich für's Kreuzheben nach wie vor die Langhantel für geeigneter als die Kettlebells, weil bei dieser Übung nach meinem Gusto die Langhantel einfach die bessere und effektivere Technik bietet. Dagegen käme ich nie auf die Idee, einen Swing oder Slingshot mit der Kurzhantel zu üben. Dazu ist mit Sicherheit die Kettlebell viel besser geeignet.

Seit dem ich Kettlebells habe, besuche ich nach wie vor meine Muckibude und trainiere dort mit Hanteln. Allerdings nur noch einmal pro Woche gegenüber bisher zwei bis drei Mal. Dort trainiere ich insbesondere Kreuzheben, Brustdrücken oder Bizepscurls mit Lang- bzw. Kurzhanteln. Das "Gefühl danach" ist jedoch ein vollkommen anderes, als nach einer halben Stunde Kettlebell-Training, die neben dem Muskeltraining einiges mehr an Kondition und Ausdauer erfordern.

Stellt euch einfach folgendes vor: Sowohl der Bauarbeiter als auch der Zahnarzt benutzen "Bohrer". Allerdings in vollkommen unterschiedlicher Dimension und für unterschiedliche Zwecke. Ähnlich halte ich es mit Hanteln und Kettlebells: Jedes Gerät erfüllt eben seinen spezifischen Zweck.
Probiert es deshalb am besten selbst aus, versucht, euch irgendwo eine Kettlebell auszuleihen und vergleicht die Übungen mit euren gewohnten Hanteln. Macht euch ein eigenes Bild und entschiedet dann, was für eure eigenen Ziele das bessere Mittel ist, um sie zu erreichen. Möglicherweise entscheidet ihr euch dann entweder für Hanteln oder für Kettlebells - oder so wie ich für beides.

Um abschließend noch auf die eingangs erwähnte Frage meines Juniors zurück zu kommen: Er trainiert mittlerweile auch sehr gerne mit meinen Kettlebells und hat schnell erkannt, dass damit der zeitliche Aufwand viel geringer ist, während ihm das Training selbst effizienter erscheint. Dennoch besucht auch er nach wie vor die Muckibude.

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